Sachen gibt’s, die sind so unwahrscheinlich

Manchmal geh ich ja ganz gern mal in eine Kirche. Die Gründe sind vielfältig. Kirchen sind idR wohltemperiert im Sommer wie im Winter. Sie sind ruhig und strahlen irgendwie so einen gewissen Pathos aus. Auch wenn ich auf der anderen Seite nie verstanden habe, wie man Göttlichkeit(en) in so vielen Religionen eigentlich in Häusern einsperrt, die schöne Plätze in der Natur kaputt machen, statt sie einfach an diesem schönen Platz in der Natur zu feiern. Seit ich gepilgert bin und mich mit einem Mitpilger über das Anzünden von Kerzen unterhalten hab, zünd ich in Kirchen auch gern mal eine Kerze an. Sei es um mir Kraft für etwas ganz bestimmtes zu erbitten (das ziemlich gute Bestehen einer mündlichen Prüfung für die mich nicht wirklich vorbereitet fühlte schieb ich auf jeden Fall auch darauf zurück und sei es nur, weil mir die Momente der Stille Ruhe zum klaren Denken in meinem übernervösen Körper gebracht haben) oder für andere Leute, verstorbene, erkrankte Freundinnen,…

Ganz selten geh ich tatsächlich auch in die Kirche, um an einem Gottesdienst teil zu nehmen. Ich mag die Lieder, die Orgelmusik, das Rituelle, das Gemeinschaftsgefühl, und natürlich die Oblate, die man gesegnerterweise Hostie nennt und wo ich immer lächeln muss, dass ich damit ja eigentlich grade kanibalistisch bin…

Grade eben war ich auch im Gottesdienst… zum einen um meine akute psychische Überlastung wegzubekommen – schließlich lenkt so ein Ritus ja schon ab und bringt eine auf andere Gedanken. Zum anderen, weil ich an Aschermittwoch schon im Gottesdienst war, um die Fastenzeit anzufangen und tatsächlich die ganze Fastenzeit über meinen Verzicht durchgehalten habe \o/ Das mit einem Ritus begonnen mit einem Ritus zu beenden und damit einzurahmen,… ach ich steh hald einfach auf Riten, Symbole und Gesten. (und Weihrauch und Pathos und das Glockenklingen bei der Wandlung und diese schönen Gebäude und…)

Als ich meinen Rucksack zum Gehen auf die eine Schulter aufsetzte, wunderte ich mich einen Moment lang, wieso das Gewicht so ungleich verteilt war. Grad so, als hätt ich den falschen Träger an. Wumm. Der Reisverschluss war scheinbar nicht ganz zu & hatte sich durch den überfüllten Rucksack geöffnet als ich ihn mit bisschen Schwung anzog (einen Rucksack anziehen, naja eine eher unelegante sprachliche Beschreibung). Raus fielen mein Laptop, mein Skript, dass ich bis morgen lernen sollte und meine nagelneue Glaswasserflasche, die ich mir zum Geburtstag geschenkt hab. Die fast volle Flasche zerbrach auf dem harten Steinboden. “Fuck! Scheiß! Verdammter Mist!” Keine Ahnung, ob ich vorher in einer Kirche schon mal geflucht habe – wenn dann nicht so laut. ich fühlte mich irgendwie komisch und überfordert, dass mir ausgerechnet in einer Kirche diese verdammte Flasche kaputt gehen musste…

Die Hilfsbereitschaft der umstehenden Menschen – ich glaub nur Männer – war toll. Und hat mir das komische Gefühl und ein bisschen der Überforderung genommen. Sie halfen mir sofort das Glas einzusammeln, das einer wegbrachte. Einer gab mir seine ganze Packung Taschentücher, die natürlich bei weitem nicht ausreichte für den halben Liter am Boden. Ich lief (im Sinne von gehen) in Richtung Sakristei, wo einer schon dem Messdiener um einen Lappen bat und mich anlächelte als ich ankam. Der brachte einen Kehrbesen mit Schaufel – das Glas ist ja schon weg, wir bräuchten einen Lappen.  Die Küsterin kam mit einem Lappen mit zu der Bank auf der ich gesessen war. Ich halte ja nicht so hohe Stücke auf mein Gesichtsgedächtnis, aber irgendwie kam sie mir bekannt vor “Wir kennen uns doch irgendwo her?!” “Wirklich?” “Ja, von dem Praktikum im Sommer 2010.” “Wo denn?” “xxx* Du hast x* in y *studiert und dich mit z* beschäftigt! Ich hab seither immer wieder dran gedacht, wie wir uns übers Orgelspielen unterhalten haben und was du mir über die C-Kirchenmusikausbildung erzählt hast!” Sie erinnerte sich 🙂 “Wie heißt du denn nochmal? Ich hab deinen Namen vergessen.” “M. Bist du öfter hier in der Kirche?” “Nein, eigentlich nicht, das war eine ziemlich spontane Aktion. Wie kommt es eigentlich dass du die Hostien austeilen darfst?” “Durch die Beauftragung vom Bischof.”**

Sie begleitete mich mit bis zur Tür. Ich ging von der Kirche aus mit einem breit grinsenden Mund und einen fasziniertem Kopfschütteln Richtung U-Bahn, was von dort aus ein ziemliches Stück ist für Berliner Verhältnisse. Mir fiel auf, dass ich mich für die Hilfe gar nicht bedankt hab… wer wird mir das schon übel nehmen, außer ich mir vllt selbst? So sehr ich über die Kirche schimpfen kann und der Ansicht bin, dass sie christliche Gläubigkeit verhunzt und missbraucht, so sehr habe ich in den letzten Jahren die Hilfsbereitschaft vieler Christinnen kennen und schätzen gelernt.

Als der Bus kam, als ich an der letzten Busstation vor der Ubahn war und einstieg, meinte der Busfahrer irgendwas in Richtung “Lass stecken, ist nur noch eine Station!” als ich grad dabei war meinen Studiausweis vorzukragen.

Ziemlich wired das alles…

Ich mein: Wie hoch ist denn bitte die Wahrscheinlichkeit eine ehemalige Mitpraktikantin in Berlin in einer Kirche als Küsterin zu treffen. Also in wie vielen Kirchen in die man so random reingeht lernt man überhaupt die Küsterin kennen?! Und dann zerbricht ausgerechnet in dieser einen die nagelneue Wasserflasche… *kopfschüttel*

Irgendwie will mir dieses zufällige Ereignis (wer will darfs auf Schicksal nennen) immer noch nicht in mein Hirn reingehen.

*ich hab sie nicht gefragt, deswegen zensier ich mich hier mal selbst 😉 Es ist jedenfalls was überhaupt gar nicht geisteswissenschaftliches

**Das Gespräch ist aus meiner Erinnerung so pi mal Daumen nachformuliert und nicht 100%ig exakt.

Schlampen mit Moral

Juchuuu, ich hab letztens entdeckt, dass das Buch The Ethical Slut _endlich_ ins Deutsche übersetzt wurde! Wirklich _endlich_ ich hab inzwischen 3 Versuche unternommen, das Buch auf Englisch zu lesen und hab jeweils nach dem ersten Kapitel aufgehört…

Jetzt hab ich es mir als ebook gekauft. Dabei ist die Frechheit dieses ebooks, dass es keine .epub, sondern eine .pdf Datei ist *pftz*. Trotz Warnungen hab ich es als epub exportiert und auf meinen ebook-Reader geladen. Das hätte ich besser sein lassen, weil das gesamte Layout damit hinüber war… Gut, dass mein Reader ein ~ Din A5 Format hat, damit ist das .pdf auch ausreichend angenehm darauf lesbar. Ich bin ja sehr gespannt, ob und wenn ja was ich neues dabei lernen werde. Während meiner Schulzeit hab ich mal “Mehr als eine Liebe” von Laura Méritt gelesen. Das ist jetzt aber auch schon einige Jahre her.

Jedenfalls bin ich jetzt sehr gespannt darauf, wie ich dieses Buch finden werde!

“Teach my son how to use a gun”

Mit diesem Zitat beendet Stephen Emmott sein Buch “10 Billion”. Ich stimme mit diesem Satz nicht überein. Absolut nicht. Er weist in eine absolut falsche Richtung. Aber vielleicht hat Stephen Emmott genau das beabsichtigt? Nachdem er auf fast 200 Seiten serifenloser Schrift, in “Leichter englischer Sprache” so eindrücklich darlegt, wieso die Menschheit gerade auf dem besten Weg ist sich die Lebensgrundlage selbst zu entziehen. Der Satz “Lehre meinem Sohn ein Gewehr zu gebrauchen” ist die Antwort eines seiner Mitarbeiter, was er tun würde, wen er nur eine einzige Möglichkeit zu handeln hätte. Eine traurige Antwort, nachdem in diesem letzten Kapitel Maßnahmen vorgestellt und diskutiert wurden, die dieser Zerstörung der Lebensgrundlage entgegen wirken sollten. Emmotts Urteil, dass wir keine dieser Maßnahmen wirklich ergreifen, geschweige den ehrlich zu uns sind, dass wir wirklich radikalste Handlungen sofort und auf der Stelle nötig haben teile ich. Ich vertrete diese Meinung seit Jahren. Mein Vater, der sich über diese gesamten Vorgänge durchaus bewusst ist, durch den und einige andere liebe Menschen in meinem Umfeld ich dieses Bewusstsein bereits von Kindesbeinen an meinte zu meinen extremen Schlussfolgerungen nur, ich dürfte diese aber nicht “in der Öffentlichkeit” äußern. In der Öffentlichkeit… ggü. Nachbar_innen, Bekannten, Parteifreund_innen, Mitschüler_innen und Lehrer_innen – später Lehrenden und Kommilitone_innen…

Ich habe meine Schlussfolgerung manchmal dennoch geäußert. Am Rande von Veranstaltungen, wo ich Verfechtern des “Green New Deals” vorwarf, dass sie sich selbst und allen anderen ganz schön was in die Tasche lügen mit diesem Wirtschaftskonzept. Dass der Green New Deal niemals auch nur annähernd ausreichend wäre für das was nötig ist. Dass die eigenen Kinder mal ganz schön wütend auf uns sein werden. Auf unsere Ignoranz und unseren Egoismus und unsere Eitelkeit. Manche gaben mir Recht. Wirklich geändert hat das an ihrer öffentliche vertretenen politischen Haltung aber nichts.

Wie halbherzig.

Wenn ich diese Zeilen schreibe steigen mir Tränen der Trauer, Hilflosigkeit und Wut in die Augen.

Warum?